Räumung Hochhaus: Darum wurde nicht früher gehandelt

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Stadtsprecher Adrian Foitzik beantwortet Fragen zur Hochhaus-Räumung. Foto: Anke Donner
Stadtsprecher Adrian Foitzik beantwortet Fragen zur Hochhaus-Räumung. Foto: Anke Donner | Foto: Anke Donner

Braunschweig. Am Montag sorgte die kurzfristige Räumung eines Hochhauses für Aufsehen. 64 Mieter müssen nun aus ihren Wohnungen. Grund waren Mängel am Brandschutz. Doch wie konnte es dazu kommen, dass die Stadt so kurzfristig und konsequent eine Räumung veranlasste? Adrian Foitzik, Sprecher der Stadt Braunschweig, klärt über die Umstände auf.


regionalHeute.de wollte wissen, warum erst nach so langer Zeit gehandelt wurde, wo doch offenbar bekannt war, dass es Mängel an dem Gebäude gab. Zudem stellte sich heraus, dass das Haus gar nicht für eine Wohnraumnutzung zugelassen war. Die letzte Brandschutzkontrolle am Haus in der Otto-von-Guericke-Straße wurde im Jahr 1980 durchgeführt und auch damals waren Mängel festgestellt worden. "Warum diese nicht weiterverfolgt wurden und warum unter diesen Umständen keine weiteren Brandschauen stattgefunden haben, ist aus den Akten nicht ersichtlich", räumt Foitzik ein.

Prioritäten setzen


Grundsätzlich gelte aber, dass laut niedersächsischem Brandschutzgesetz bauliche Anlagen, von denen im Fall eines Brandes, einer Explosion oder eines anderen Schadenereignisses eine besondere Umweltgefährdung oder eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer größeren Anzahl von Menschen oder für erhebliche Sachwerte ausgehen, in regelmäßigen Zeitabständen auf ihre Brandsicherheit zu prüfen seien. Gesetzlich vorgeschriebene Intervalle gebe es dafür jedoch nicht. Heute werde aber ein Kontrollintervall von fünf Jahren für sachgerecht gehalten. "Grundsätzlich haben Hochhäuser – zumal wenn es sich um solche handelt, die für Gewerbe vorgesehen sind – eine deutlich geringere Priorität als etwa Schulen, Altenheime, Krankenhäuser. Auch die Art des Hochhauses spielt eine Rolle", erklärt Adrian Foitzik.

Wohnnutzung weiter untersagt


Warum der Eigentümer über Jahrzehnte hinweg das Gebäude als Wohnraum vermieten konnte, obwohl die Stadt ganz klar festgelegt hatte, dass dies nicht gestattet ist, sei heute nicht mehr nachvollziehbar.

"Warum dies in der Vergangenheit zunächst geduldet wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Die Stadtverwaltung hat 2014 in Zusammenhang mit einer Überarbeitung des Bebauungsplanes in dem Bereich dem Vermieter im Rahmen einer Anhörung mitgeteilt, dass er nicht neu vermieten darf. 2015/2016 hat sie den Sachverhalt mithilfe des Melderegisters überprüft und festgestellt, dass er sich an diese Vorgabe nicht gehalten hat. Sie hat ihn dann erneut dazu angehört, und er hat signalisiert, sich weiterhin nicht danach richten zu wollen. Er wird daher in Kürze eine einklagbare Verfügung erhalten, die ihm die Weitervermietung untersagt. Hält er sich nicht daran, kann die Stadt sein Vorgehen unterbinden. Es war der Stadtverwaltung daran gelegen, Härten für die Bewohner zu vermeiden", so Foitzik.

"Eine strenge Kontrolle erfolgt im Rahmen der Prioritätensetzung zunächst bei jenen Fällen, wo den Bewohnern oder anderen Menschen und Institutionen durch die baurechtswidrige Nutzung eine Gefahr entsteht. Hier ging es lediglich um eine planerisch nicht zulässige Wohnnutzung, weil durch die Nähe zu den Bahngleisen unzumutbarer Lärm entsteht. Die Mieter haben dies allerdings in Kauf genommen. Insofern ist es verhältnismäßig, die nicht genehmigte Wohnnutzung nach und nach auslaufen zu lassen. Das wäre aus Sicht der Verwaltung wie beschrieben auch weiterhin und über das Jahr 2017 hinaus, vertretbar.

Es handelt sich um ein Gebäude in privater Hand. Verantwortlich für eine baurechtskonforme Nutzung und insbesondere die Sicherheit des Gebäudes und seiner Bewohner beziehungsweise Nutzer sei der Eigentümer", betont Foitzik.

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64 Mieter müssen nun ihre Wohnungen räumen. Foto: Anke Donner


Stadtsprecher Adrian Foitzik zum Brandschutz in Braunschweig:


Wie viele Hochhäuser wurden seit Beginn des Jahres kontrolliert?

Adrian Foitzik: "Seitens des Referats Brandschutz und Wiederkehrende Prüfungen (Bauordnung) wurden alle im Zuständigkeitsbereich der Stadt Braunschweig liegenden 30 Hochhäuser - vier Hochhäuser stehen im Eigentum des Landes - hinsichtlich der Brennbarkeit der Fassade überprüft.

Im Rahmen von Brandverhütungsschauen haben das Referat Brandschutz und Wiederkehrende Prüfung und die Feuerwehr in 13 Hochhäusern gemeinsame Begehungen durchgeführt. Bis Ende 2017 ist bisher noch eine weitere Begehung geplant. Zudem gab es anlassbezogene Überprüfungen in einzelnen Hochhäusern, hier erfolgte jedoch keine umfassende Überprüfung. Zum Teil gibt es noch laufende Verfahren von älteren Überprüfungen, die bereits zuvor stattgefunden haben. Zwei weitere Hochhäuser wurden von die Feuerwehr allein durchgeführt. Ein weiteres Hochhaus wurde durch die Bauordnung im Rahmen einer vorzeitigen Ingebrauchnahme kontrolliert."

Wie viele Gebäude wiesen Mängel auf?

Adrian Foitzik: "Bei der Überprüfung der Brennbarkeit von Fassaden sind noch nicht alle Verfahren abgeschlossen, bis jetzt wurde bei drei Gebäuden eine brennbare Unterkonstruktion der Fassade festgestellt. Dies allein führt aber noch nicht zu einer akuten Gefährdungslage. Eine Brandausbreitung wie bei dem Hochhausbrand in London ist nicht zu befürchten. Hier wurden entsprechende Verfahren zur Verbesserung der Sicherheit eingeleitet. Im Übrigen wurden bei allen durch das Referat Brandschutz und Wiederkehrende Prüfungen im Rahmen der Brandverhütungsschau durchgeführten Überprüfungen Mängel festgestellt. Hier war es aber ausreichend, eine Mängelbeseitigung – in Einzelfällen auch die Verpflichtung zu Kompensationsmaßnahmen – anzuordnen, so dass keine Wohnungsräumungen erforderlich waren."

Welche Mängel gab es?

Adrian Foitzik: "Eine Auflistung aller Mängel ist nicht möglich. Zum Teil handelte es sich um schnell zu behebende Mängel, wie beispielsweise abgelaufene Feuerlöscher, verstellte Rettungswege oder ähnliches, es wurden jedoch auch Mängel an Türen mit Brandschutzqualität oder Mängel an den sicherheitsrelevanten Anlagen festgestellt. In einigen Fällen waren die Mängel auch so gravierend, dass sie vom Eigentümer unverzüglich behoben werden mussten bzw. sofortige Kompensationsmaßnahmen erforderlich waren."

Unglück in London gab Anstoß zu Überprüfungen


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Unter anderem gab es Mängel an den Flucht-und Rettungswegen. Foto: Anke Donner



Das Unglück in einem Hochhaus in London im Juni sei auch ein Grund, dass man beim Thema Brandschutz genauer hinsieht, teilte die Stadt bereits in einer vorherigen Stellungnahme mit. "Nach dem Hochhausbrand in London wurden auch alle Hochhäuser in Braunschweig einer Überprüfung unterzogen. Nicht zuletzt wurde die Überprüfung der Fassaden auch seitens des Landes Niedersachsen als Fachaufsichtsbehörde gefordert. Im Rahmen der Prioritätensetzung sind die Hochhäuser also stärker in den Vordergrund gerückt worden. Eine Verschärfung der bisherigen Prüfungen, auch in anderen Objekten, darüber hinaus gibt es nicht", erklärt der Stadtsprecher.

Welche Strafen drohen Eigentümern, wenn Brandschutzbestimmungen nicht eingehalten oder Auflagen nicht erfüllt werden?

Adrian Foitzik: "Im Vordergrund der Prüfungen steht die zügige Abstellung der erkannten Mängel, insbesondere, wenn sie sicherheitsrelevant sind. Gegebenenfalls werden Kompensationsmaßnahmen zumeist in Abstimmung mit den Eigentümern umgesetzt und damit die Sicherstellung der brandschutztechnischen Sicherheit des Gebäudes. In manchen Fällen kann ein Bußgeldverfahren gegen den Eigentümer eingeleitet werden. Wenn bewusst gegen Brandschutzbestimmungen verstoßen wird - was aber in der Regel nicht der Fall ist -, können auch strafrechtliche Aspekte eine Rolle spielen."

Mängel behoben - Kündigungen bleiben


Inzwischen hat der Eigentümer angekündigt, die von der Stadt geforderten Auflagen zu erfüllen und Maßnamen zur Ertüchtigung des Brandschutzes zu ergreifen. Die Kündigungen werde er jedoch nicht zurückziehen, ließ er durch seine Anwältin mitteilen. Alle Bewohner des Hauses müssen sich nun zum Ende des Jahres eine neue Bleibe suchen.

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